"Ich kann gar nicht leben, ohne Geschichten zu erfinden"

Mell hat den Fantasyroman "Sayuri" gelesen und die junge Autorin Carina Bargmann dazu befragt.

*Mell:* Carina Bargmann, Sie haben bereits als Zehnjährige mit dem Schreiben angefangen und hatten mit fünfzehn schon zwei große Fantasyromane verfasst, bis sie wenig später von einer der renommiertesten deutschen Literaturagenturen als Nachwuchstalent entdeckt wurden. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen; warum nicht einfach selbst lesen oder fernsehen, wie es wohl die meisten Jugendlichen machen?

*Carina Bargmann:* Meine erste längere Geschichte habe ich geschrieben, da ich eine Idee von einer Geschichte und Charakteren im Kopf hatte und es kein Buch gab, das sich mit genau dieser Idee beschäftigte (was bei einer so festgelegten Vorstellung auch kein Wunder war. Ich wusste schon, welche Haarfarbe der Hauptcharakter haben sollte!). Da musste ich die Geschichte selbst schreiben. Freunde haben sie gelesen und kritisiert. Ich hatte mich für das Schreiben begeistert und bereits neue Ideen im Kopf, die ich ebenso zu Papier bringen wollte. Mit der Zeit wurden die Geschichten umfangreicher, komplexer und logischer und ich konnte einfach nicht aufhören.

Lies Mells Rezension zu dem Buch "Sayuri"

*Mell:* Wollten Sie schon immer Autorin werden, d.h. war es sozusagen ein Kindheitstraum? Und wie haben Sie es geschafft, die Literaturagentur auf sich aufmerksam zu machen?

*Carina Bargmann:* Ich wollte erst Autorin werden, als ich bereits einige Geschichten geschrieben hatte. Ich habe mich nicht hingesetzt und gesagt, ich werde Autorin, deshalb schreibe ich jetzt. Eher andersherum. Zunächst habe ich die Geschichte an einen Verlag geschickt und eine Absage erhalten. Daraufhin habe ich mich auf der Leipziger Buchmesse nach einem Verlag umgesehen und wurde auf einen Agenten aus München aufmerksam gemacht. Ich wandte mich also mit meiner Geschichte an diesen Agenten, der bereits interessiert war, mir aber riet, erst mal noch weiter zu schreiben. Ich sollte mich melden, wenn ich etwas Neues hätte. Das habe ich getan, und mit dem Werk hat dann unsere Zusammenarbeit angefangen.

*Mell:* Warum haben Sie gerade das Genre „Fantasy“ gewählt; was fasziniert Sie daran?

*Carina Bargmann:* Ich habe immer schon gerne Fantasy gelesen(besonders gerne zum Beispiel Christoph Marzi und Ulrike Schweikert) und das Genre hat den großen Vorteil, dass ich keine Reisen unternehmen muss, um reale Schauplätze zu besuchen und dort Recherchen zu betreiben. Das kann ich neben der Schule zur Zeit leider nicht leisten. Ich habe alle Orte auf dem Papier vor mir, kann sie selbst erfinden. Und genau das ist der zweite große Reiz, der das Genre so interessant macht: Ich kann eine ganz eigene Welt erfinden. Mir persönlich macht es riesigen Spaß, Welten zu entwerfen, die anders als unsere und doch in sich logisch sind und einem eine Fülle von neuen Möglichkeiten bieten.

*Mell:* Wie entstand das Konzept zu ihrem Debütroman „Sayuri“? Hatten sie von vornherein einen groben Handlungsstrang im Sinn oder sind sie spontan an dieses Projekt herangegangen?

*Carina Bargmann:* Ich glaube, so spontan kann man gar nicht an ein Buch herangehen, dass man es später noch als spontan bezeichnen würde. Die Idee kam irgendwann spontan und hat sich im Laufe meiner Zusammenarbeit mit dem Verlag noch sehr gewandelt. Ich hatte den Handlungsstrang fertig, bevor ich angefangen habe zu schreiben, aber ich habe bestimmt zwei Monate an dem Handlungsstrang gearbeitet, bevor er so war, wie ich ihn umsetzen wollte und beim Schreiben hat sich dann auch noch manchmal etwas verändert.

*Mell:* Ich denke, man kann ihren Roman als außergewöhnlich bezeichnen, denn von einer 0815-Story à la „Mädchen trifft mystischen Jungen und verliebt sich“ kann man hier nicht sprechen. Haben Sie sich bewusst für diese Abgrenzung vom aktuellen Jugendbuchtrend entschieden? Und woher stammen die Ideen zu ihrem wunderbaren Roman, der in einer ganz eigenen Welt spielt?

*Carina Bargmann:* Bewusst habe ich mich von nichts abgegrenzt. Viel mehr hatte ich das Ziel, einen Roman zu schreiben, den es so noch nicht gab, und ich habe mich bemüht, nicht die typischen Klischees aufzugreifen. Meine Ideen zu meinen Geschichten entstehen spontan. Manchmal kommen sie mir im Alltag, manchmal werden sie durch Bücher, die ich gerade lese, und Filme, die ich gucke, beeinflusst. Bei meiner zweiten Geschichte meinte mein Bruder, er wüsste genau, bei welcher Passage ich welches Buch gerade parallel gelesen habe. Darum achte ich seitdem auch sehr darauf, dass ich keine Ideen übernehme.

*Mell:* Das Wasser spielt in „Sayuri“ eine große Rolle, nicht etwa ein Schatz bestehend aus Gold oder Juwelen. Gibt es hierzu einen Hintergrund wie etwa die Wasserknappheit in den Entwicklungsländern; beschäftigen Sie solche Themen?

*Carina Bargmann:* Die Wasserknappheit in Entwicklungsländern beschäftigt mich immer wieder und ich wollte mich in meinen Geschichten auch mit aktuellen Problemen auseinandersetzen. In meiner Geschichte stelle ich die Menschen aber eher vor ein Moralproblem. Die Sechzehnjährigen werden verbannt, um den Bewohnern der Stadt das Überleben zu sichern. Die Frage, die hiermit im Raum steht, wäre vielleicht: Wie viel sind wir Menschen bereit zu opfern, vielleicht sogar zu töten, nur um unseren Lebensstandard zu halten?

*Mell:* Sie interessieren sich für die asiatische Kultur, ja, Sie lernten sogar japanisch. Würden Sie sagen, diese außergewöhnlichen Hobbys inspirieren Sie? Was hilft Ihnen ansonsten, wenn sie mal einen „kreativen Stop“ haben und es mit dem Buch nur langsam voran geht?

*Carina Bargmann:* Ich bin von fremden Kulturen im Allgemeinen fasziniert und freue mich immer, wenn ich etwas über Menschen, ihren Glauben und ihre Lebensarten an anderen Orten, in anderen Lebenssituationen durch Medien oder persönliche Gespräche erfahren kann. Die Geschichten, die ich dazu höre, inspirieren mich natürlich für meine Welten und meine Charaktere. Japan insbesondere ist interessant, da es einen Spagat zwischen einerseits Kulturerbe und Tradition und andererseits Hightech und Fortschritt schafft.
Bei „Kreativen Stops“ lenke ich mich durch Gespräche und Unternehmungen mit Freunden ab, bis mir die nächsten Ideen kommen und ich mich wieder aufs Schreiben stürze.

*Mell:* Darf man gespannt sein auf ihren nächsten Roman oder werden Sie sich nach Ihrem Abitur erst einmal einem Studium etc. widmen?

*Carina Bargmann:* Man darf immer gespannt sein. Ich arbeite zur Zeit an meinem zweiten Roman und kann versprechen, es wird etwas Neues, etwas Anderes und mit Sicherheit etwas Spannendes! Ich beabsichtige nach dem Abitur zunächst ins Ausland zu gehen und in einer sozialen Einrichtung mitzuarbeiten. Danach möchte ich studieren, aber ich werde auf jeden Fall nebenbei weiterschreiben. Ich kann gar nicht leben, ohne Geschichten zu erfinden und sie aufzuschreiben.

*Vielen Dank für das Interview!*

Autorin / Autor: mell - Stand: 29. Januar 2010