Die Geltungssucht der Amokläufer

Psycholog_innen appelieren an die Medien, Massenmördern weniger Aufmerksamkeit zu schenken

Was bringt Menschen dazu, in einer kurzen Zeit sehr viele Menschen zu töten? Haben Amokläufer ähnliche psychologische Muster? Nach den Erkenntnissen amerikanischer Psycholog_innen ja, sie fanden drei charakteristische Züge in ihren Untersuchungen: fortschreitende Depression, soziale Isolation und pathologischen Narzissmus, der einhergeht mit einer Sucht nach Ruhm und Bekanntheit in den Medien. "Amokläufe sind auf dem Vormarsch und genauso verhält es sich mit der Medienberichterstattung über sie", sagte Jennifer B. Johnston von der Western New Mexico University. Sie fragte sich, ob mehr Schießereien zu mehr medialer Reichweite führen oder ob die mediale Aufmerksamkeit an der Zunahme der Amokläufe Schuld ist. Dazu überprüfte sie zusammen mit ihrem Co-Autor, Andrew Joy Daten und wissenschaftliche Artikel über Amokläufe und kam zu dem Schluss, dass eine Art von medialer Ansteckung weitgehend verantwortlich für die Zunahme dieser oft tödlichen Ausbrüche ist, denn die Häufigkeit der Verbrechen sei in dem Maße gestiegen, wie die Berichterstattung in Massenmedien und Social Media zugenommen habe, die die Schützen oft verherrlichten und die Opfer vernachlässigten, so Johnston.

Bei ihren Recherchen fand sie ein ziemlich konstantes Profil der Amokläufer: Die meisten sind weiß, heterosexuell, zwischen 20 und 50 und männlich. Sie neigen dazu, sich als "Opfer von Ungerechtigkeiten" zu sehen und teilen die Ansicht, dass sie um ihren rechtmäßigen Platz als dominante weiße Mittelklasse-Männer betrogen wurden. Ein weiteres Querschnitts-Merkmal vieler Amokläufer sei außerdem das Verlangen nach Ruhm, das seit Mitte der 1990er Jahre rasant angestiegen sei. Genau zu diesem Zeitpunkt begannen auch die Medien mit der 24-Stunden-Berichterstattung über Kabel-Nachrichtenprogramme und über das Internet.

Nach Erkenntnissen anderer Forscher hat die Geschwindigkeit, in der Amokläufe aufeinander folgen im Vergleich zu den Jahren vor 2.000 immens zugenommen: Inzwischen passiere durchschnittlich alle 12,5 Tage ein Amoklauf in der Öffentlichkeit und alle 31,6 Tage ein Amoklauf an einer Schule. Vor 2.000 hätte es demnach "nur" drei solcher tödlichen Szenarien pro Jahr gegeben.

"Wenn die Massenmedien und Social Media-Aktivisten verabreden würden, nicht mehr länger Namen und Gesichter der Attentäter zu zeigen und auf detaillierte Geschichten oder langatmige Erklärungen von Mördern zu verzichten, würden wir eine drastische Reduzierung der Amoktaten in ein bis zwei Jahren erleben", ist Johnston überzeugt. Die Medien hätten es schließlich schon einmal geschafft, eine gravierende soziale Veränderung herbeizuführen: Als Wissenschaftler_innen in den 90er-Jahren bestätigten, dass Selbstmord ansteckend war - und zwar durch die Medienberichterstattung - verzichteten die Medien auf übertriebene Inszenierung der Suizide; das Ergebnis war ein deutlicher Rückgang der Selbstmord-Rate.

"Die Medien traten einst an, um gute Arbeit und soziale Veränderungen zu schüren", so Johnston. "Sie haben es getan, und sie können es tun. Es ist Zeit. Es reicht."

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung