Biologie/ Biomedizin studieren

islenski.hesturinn hat nach dem Abi im Bachelorstudiengang Biologie studiert und schreibt momentan ihre Masterarbeit in Biomedizin über ein Molekül, das Immuntoleranz vermittelt. Danach möchte sie ihren Doktor machen. Im Interview erzählt sie uns von ihren Erfahrungen.

DNA-Aufreinigung

*Als du mit dem Abitur fertig warst, wusstest du da gleich, was du machen willst?*
Nein, die Zukunft war eine riesige schwarze Mauer in meinem Kopf während der letzten beiden Jahre in der Schule! Diese plötzliche „Freiheit“, die mir nach dem Abitur freistehen würde, kam mir viel mehr wie ein undurchdringlicher Urwald vor und hat mir ziemlich viele Sorgen bereitet.
Wenn ich ehrlich bin, weiß ich erst seit dem dritten Semester im Masterstudium, was für einen Job ich später gerne ausüben würde. Schon während der Schulzeit war mir jedoch klar, dass ich gerne etwas studieren möchte. Die Vielzahl an Auswahlmöglichkeiten kann einen aber leider auch sehr einschränken. Zum Teil haben mir Infoveranstaltungen dann tatsächlich geholfen, bestimmte Studienfächer auszuschließen. Der riesige Studienführer, den mir mein Vater irgendwann in die Hand gedrückt hat, war allerdings wenig aufschlussreich, da man sich unter den bizarren Studiengangsbezeichnungen kaum etwas vorstellen kann, geschweige denn weiß, in was für einem Beruf man letzten Endes dann würde arbeiten können.

*Wie bist du dann auf dieses Studium gekommen? *
Ich hatte einen Studienführer, ich habe im Internet recherchiert und musste die Erfahrung machen, dass es viel zu viele Möglichkeiten gibt, als dass ich intensiv alle Fächer gegeneinander abwägen könnte. Am Schluss habe ich mich an verschiedenen Unis für ein Biologiestudium beworben.

Warum studiere ich nicht etwas anderes? Darauf kann ich keine Antwort geben. Es wird eine Mischung aus vielem sein: Zum einen ist einem Abiturienten Biologie nicht sonderlich fremd, man kann sich etwas darunter vorstellen. Zum anderen haben meine Eltern beide ebenfalls Naturwissenschaften studiert, das kann ebenfalls bestätigend wirken (oder auf andere gerade abschreckend, wer weiß?).
Es hätte vielleicht auch etwas Geisteswissenschaftliches werden können, aber ich wollte lieber näher dran an wirklich in unserem Leben relevanten Dingen sein und das habe ich damals mehr in den Naturwissenschaften gesehen.

Warum dann Biologie? Ich bin mit mehr Kontakt zur Natur aufgewachsen als viele andere, habe mich jedoch nie extrem für sie interessiert, sie war einfach normal. Insofern ist es vielleicht auch Zufall gewesen, dass es am Ende Biologie geworden ist. Mein Herz schlägt seit jeher für die Islandpferde, in der neunten Klasse habe ich die Farbvererbung für mich entdeckt. Vielleicht war das letzten Endes ausschlaggebend. Keine Ahnung :-D
Was ich nur raten kann: Ausprobieren. Es gibt nicht „das“ richtige Studienfach.

*Was ist genau Biomedizin? Wo ist der Unterschied zu einem reinen Medizin- oder zum Biologiestudium? *
Der Unterschied, den man am Ende in der Arbeitswelt beobachten kann, ist vor allem das Gehalt, habe ich mir sagen lassen. Ob man Biologie, Biomedizin oder Biomedizin studiert hat und in die Forschung geht, am Ende wird man die unterschiedlichsten Leute mit den unterschiedlichsten Hintergründen treffen. Teilweise hat man plötzlich einen Veterinärmediziner oder einen Pflanzentechnologen oder Life Sciencer in seiner Arbeitsgruppe, die sich eigentlich mit einer Krankheit beim Menschen beschäftigt. Deswegen – letzten Endes ist die Wahl des Studiums gar nicht so ausschlaggebend. Wichtiger ist, dass man herausfindet, wo man hin möchte und sich die entsprechenden Kontakte besorgt, Kontakte sind oft das A und O in der Jobsuche.

Im eigentlichen Studium gibt es dann natürlich einige Unterschiede. Das Bachelorstudium in der Biologie habe ich als sehr breit gefächert erlebt, von Zell- und Entwicklungsbiologie über Botanik und Tier- und Humanphysiologie, bis zu Genetik, Funktionsmorphologie und Verhalten, beschäftigt man sich mit sehr vielen Aspekten der Biologie. Natürlich gehören auch Physik, Mathematik und Chemie dazu. Aber das könnt ihr wirklich auf den Internetseiten der jeweiligen Universitäten heraussuchen, ich habe mich damals einfach überraschen lassen.

In meinem Masterstudium sind die Fächer etwas spezialisierter, es dreht sich nicht mehr um Pflanzen, Tiere und Menschen, sondern erstmal um den Menschen. Tiere treten eher als Modellorganismus und Pflanzen höchstens in Pharmakologie und Toxikologie auf. Ansonsten werden Studieninhalte aus dem Bachelorstudium wiederholt und vertieft. Das Niveau ist viel höher, die Ansprüche sind deutlich größer. Aber da wächst man hinein. Fächer wie Immunologie und Virologie, die mir im Bachelorstudium nur im Wahlpflichbereich hätten begegnen können, werden durchgenommen.

Wie das im Medizinstudium aussieht, kann ich im Detail nicht vergleichen, aber grundsätzlich lässt sich sagen, dass Biomediziner mehr an der Ursache von Krankheiten und einem möglichen neuen Weg der Therapie interessiert sind. Im Gegensatz dazu muss der klassische Mediziner Krankheiten richtig erkennen und behandeln können. Was ich vorher nicht wusste, ist die Tatsache, dass man auch als (besser bezahlter) Arzt in die Forschung gehen kann, sonst hätte ich mir das vielleicht auch nochmal überlegt ;-)

Grün fluoreszierende Zellen

*Bist du an deiner Wunschuni gelandet? Oder musstest du auch Kompromisse machen? *
Ich hatte das Glück und bin immer direkt an meiner Wunschuni gelandet. Kommilitonen von mir sind teilweise erst über Nachrückverfahren in den Studiengang gerutscht. Wenn ihr in die Forschung wollt, seht zu, dass die für euch interessanten Abteilungen einen Namen haben.

*Was hat dir in deinem Studium am meisten Spaß gemacht? Und was war eher mühsam aus deiner Sicht? *
Am meisten Spaß haben mir wohl die sechswöchigen Großpraktika im Masterstudium gemacht sowie die Masterarbeit, mit der ich momentan noch beschäftigt bin. Dann ist man am nächsten dran, man kann Blut lecken wie Wissenschaft wirklich funktioniert und aus dem ganzen Studium wird irgendwie ein geschlossener Kreis.

Was mich am meisten gestört hat, waren an für sich die Klausuren, bei denen es oftmals nur um das Auswendiglernen ging. Man musste alles können und zwar extrem genau. Unterschätzt Multiple Choice Fragen nicht :-D die können viel fieser sein als offene Fragen. Das war im Bachelor noch nicht so krass wie im Master, aber echte Transferfragen konnte man vermutlich an einer Hand abzählen.
Und natürlich gibt es hin und wieder den einen oder anderen Dozenten, den man nicht aushält. Aber das geht vorüber.

*Welche Fähigkeiten und Interessen sollte man deiner Ansicht nach für diesen Studiengang mitbringen? Und was kann man noch im Studium "nachholen"? *
Man muss auf keinen Fall Biologie als Leistungskurs gewählt haben, ich hatte Bio nicht mal als Prüfungsfach. Lasst euch von so etwas nicht abschrecken. Es reicht, wenn man weder ein Tier noch eine Pflanze richtig bestimmen kann. Es reicht, wenn ihr keine Krankheit kennt. Das werdet ihr alles noch lernen. Seid offen, begeisterungsfähig, interessiert und lernwillig.

Ein gewisses Verständnis von Chemie, Mathe und zum Teil auch Physik wäre nicht schlecht, wenn man sich überlegt Biologie zu studieren. Die Grundlagen aus der Schule werden kurz wiederholt, aber ihr solltet schon wissen was DNA ist. Wenn euch Biologie in der Schule sehr schwer gefallen ist, werdet ihr es im Studium aber noch schwerer haben. Der Hauptunterschied zwischen Schule und Studium ist, dass ihr an der Uni mehr Wissen in kürzerer Zeit können müsst. Wir haben oft gesagt, dass eine Klausur eigentlich fast schon wie das ganze Abi ist. Das ist aber sicher übertrieben, denn der nächste Berg ist immer der höchste.

Ihr solltet bereit sein euch hinzusetzen und zu lernen, vor allem im Master. Entgegen der landläufigen Meinung verbringen Studenten heutzutage nicht die Nächte beim Feiern und die Tage im Bett. Das kommt schon mal vor, aber die kommen dann auch selten über Kurse aus dem dritten Semester hinaus und später siehst du sie nicht wieder. Wie das dann im Master ist, könnt ihr abschätzen, wenn es soweit ist. Solltet ihr in der Forschung bleiben wollen, werdet ihr um das Lesen (und hoffentlich Schreiben) von Papern, das sind wissenschaftliche englischsprachige Artikel, nicht herumkommen. Je weiter das Studium fortschreitet, desto wichtiger wird Englisch als Wissenschaftssprache.

*Ohne Lernen geht in diesem Studium gar nichts!*
Das gilt wahrscheinlich für jedes Fach, aber manchen Leuten ist das nicht bewusst. Das Lernpensum kann von Uni zu Uni jedoch sehr unterschiedlich sein. Ansonsten könnt ihr hier alles einsetzen, was man für jedes andere Studienfach einsetzen kann. Biologie ist sehr breit gefächert, euch steht also noch die Welt offen. Ihr könnt klimafreundliche Rinder züchten, ein Medikament gegen Krebs entwickeln oder den Welthunger besiegen, es ist Platz für die unterschiedlichsten Typen Mensch.

Isolation von mononukleären Zellen aus peripherem Blut

*Wie sind die Zukunftsaussichten? Wie soll es auf deinem beruflichen Weg weitergehen? *
Also, es kann schon sein, dass ich euch irgendwann im Taxi zu eurem Vorstandtreffen chauffiere, weil man nach dem Biostudium sowieso als Taxifahrer endet. Aber momentan sieht es bei mir glücklicherweise nicht danach aus.

Die Jobchancen sind nicht die besten in der Biologie, deswegen sollte man sich im Master dann auch eher zu früh als zu spät um eine Möglichkeit für eine Doktorarbeit kümmern, falls man mit dem Gedanken spielt zu promovieren. Wenn man nach dem Master direkt in die Industrie möchte, sind oft unbezahlte Praktika von (mindestens) einem Jahr erforderlich. Generell wird jedoch empfohlen den Doktor zu machen. Persönlich bin ich davon überzeugt, dass die meisten schon ihren Weg finden werden. Aber man bekommt Jobs nicht hinterher geworfen und in der Forschung im Speziellen sind die Aufstiegschancen nicht sonderlich groß. Wie wurde uns auf einer Veranstaltung zum Arbeitsleben in der Wissenschaft gesagt – es kann nur so viele neue Professoren geben wie alte Professoren aufhören. Das bedeutet, dass durchschnittlich jeder Professor nur einen einzigen Schützling genauso weit nach oben bringen kann wie er selber ist. Aber vielleicht will man ja gar nicht so hoch hinaus. Oder man biegt zwischendrin doch ab und sucht sich einen Job in der Industrie.
Die Studiengangkoodination kümmert sich in Sachen Zukunft nach dem Master wirklich sehr gut und leitet viele Informationen an uns Studenten weiter.
Ich werde in ein paar Wochen hoffentlich mit meiner Masterarbeit fertig sein und habe dann im Anschluss direkt eine Doktorstelle. Den Rest lasse ich auf mich zukommen, wobei meine Präferenz momentan eindeutig im Bereich der Forschung liegt.

*Dein absoluter Traumjob für die Zukunft? *
Ein abwechslungsreicher Beruf, der fordert, aber nicht überfordert. Ein Beruf, in dem man etwas positiv verändern kann. Nicht zuletzt aber auch ein Beruf, mit dem man genug Geld verdient für ein nettes Leben und der eine gewisse Sicherheit bietet. Im Moment glaube ich diesen Beruf in der Forschung finden zu können, wobei die größte Schwierigkeit dann wahrscheinlich darin liegen wird, so einen unbefristeten Job auch zu bekommen.
Noch glaube ich weiter daran, die Welt verbessern zu können und habe genug Energie, um mit Begeisterung daran zu arbeiten. Hoffentlich kommt niemals die Desillusionierung.

*Dein Tipp für alle, die mit dem Gedanken spielen, Biologie oder Biomedizin zu studieren?*
Besucht Informationsveranstaltungen, redet mit Studenten oder erkundigt euch beim zugehörigen Fachrat an der Uni. Wenn ihr es gar nicht wisst, macht ein FWJ oder BFD in einem guten Labor, dann seht ihr wo es hin geht. Ansonsten – ausprobieren.

Was ich noch sagen möchte: Eure Prüfungsfächer im Abitur haben überhaupt gar keine Bedeutung für das Biologiestudium. Ich hatte Mathe und Chemie als P1 und P2, Biologie war nicht mal ein Prüfungsfach. Während des Studiums haben mir meine Mathe- und Chemiekenntnisse mehr geholfen als Biologie es hätte können.

*Ein kleiner Rückblick: *
Vor fünf Jahren war ich gerade mit dem Abi fertig und hatte keinen Plan was ich aus meinem Leben machen sollte und wenn alles glatt läuft, werde ich in ein paar Wochen Doktorandin sein. Das sind ziemlich große Schritte. Vor fünf oder sechs Jahren wäre mir das ziemlich beängstigend, wenn nicht sogar unvorstellbar vorgekommen.

Ich bin 23 Jahre alt, mein Leben hat sich in den letzten Jahren ziemlich stark verändert, wie ich jetzt im Rückblick sagen muss. Man wird nicht „erwachsen“, aber man gewinnt an Kompetenz. Und man versucht zu lernen mit einer ungewissen Zukunft umzugehen, mehr oder weniger erfolgreich, meistens weniger. Aber das ist ok. So funktioniert das Leben. Nehmt das an, was ihr findet und macht euch etwas Schönes daraus, das ist für jeden etwas anderes.

Autorin / Autor: Fotos und Text: islenski.hesturinn - Stand: August 2016