"Weil er alles zerschlagen und töten kann"

US-Studie: Kinder finden oft die negativen Eigenschaften ihrer Superhelden besser

Faust

Wenn Erwachsene Kindern Geschichten von Superheld_innen erzählen oder sie Filme sehen lassen, tun sie das meist in dem Glauben, dass ihre Kinder sich viele positive Eigenschaften von ihm oder ihr abschauen können: Verteidigung und Schutz der Schwachen, Einsatz ihrer Talente, um anderen zu helfen oder für eine Sache zu kämpfen, die größer ist als man selbst. Ein neue Studie zeigt jedoch, dass die "Superheldenkultur" ganz und gar nicht dazu führt, andere zu verteidigen und netter zu den Mitmenschen zu sein, sondern im Gegenteil: Kinder sprechen offensichtlich eher auf die aggressiven als auf die beschützenden Eigenschaften ihrer Superhelden an.

Wie Professorin Sarah M. Coyne von der Brigham Young University feststellte, verhalten sich Kinder, die häufig mit der Superheld-Kultur konfrontiert sind, ein Jahr später aggressiver als andere Kinder. Sie verteidigten andere, die Opfer von Mobbing waren, weniger und verhielten sich weniger sozial.

Bereits im Frühjahr 2016 veröffentlichte Coyne eine Studie über die schädlichen Auswirkungen der Geschlechter-Stereotype in der Disney-Prinzessin-Kultur auf kleine Kinder. Dennoch macht sie Eltern Mut und rät ihnen, die Sache maßvoll anzugehen. Man müsse nicht komplett auf Superheldengeschichten verzichten, sondern ihnen die Möglichkeit geben, sich mit vielen unterschiedlichen Dingen zu beschäftigen, sodass Superhelden eben nur ein Thema unter vielen sind.

Ein Grund, warum Kinder eher auf das gewalttätige und weniger auf das mitmenschliche Verhalten von Superhelden reagieren, liegt ihrer Meinung nach darin, dass die überwiegende Mehrheit der Superheld-Programme in den Medien nicht für Vorschulkinder gemacht sind, obwohl die aktuelle Studie festgestellt, dass viele Kinder im Vorschulalter regelmäßig solche Programme anschauen. Diese Programme enthielten komplexe Handlungsstränge, die Gewalt und prosoziales Verhalten verknüpfen, aber Vorschüler_innen seien kognitiv noch gar nicht in der Lage, die dahinterliegende moralische Botschaft zu erkennen.

Coyne vermutet auch, dass es beim Konsum gewalttätiger Medieninhalte zusätzlich zu einer Desensibilisierung kommt, also eine verminderte einfühlsame Reaktion auf die Opfer von Gewalt auf dem Bildschirm, Computer oder Tablet. Dies könnte sich in einem Mangel an Empathie für die Opfer von Gewalt auf dem Spielplatz oder in der Schule fortsetzen.

240 Kinder hatte Coyle für ihre Studie untersucht und ihre Eltern gefragt, wie oft ihre Kinder Superheldengeschichten anschauen und wie sehr sie sich mit verschiedenen Superhelden identifizierten. Auch die Kinder wurden individuell interviewt, sie sollten ihre 10 beliebtesten Superhelden nennen und erklären, was sie an ihnen am meisten mochten. Die Antworten der Kinder lieferten dabei wichtige Einblicke: 10 Prozent schätzten besonders die Verteidigungsfähigkeit der Superhelden: "Weil er Netze schießen und Menschen retten kann." 20 Prozent dieser Kinder verknüpften ihren Lieblings-Superheld mit einigen gewalttätigen Fähigkeiten. ("Er ist groß und kann schlagen"; "Er zerschlägt alles und wird wütend." oder "Weil er alles zerschlagen und zerstören kann, und das ist ihm egal, weil er ein großer Tyrann ist.") Ein anderes Kind erklärte, dass Captain America sein Lieblings-Superheld sei, "weil er töten kann." Die restlichen 70 Prozent der Kommentare der Kinder bezogen auf die Fähigkeiten waren allerdings gutartig: "Weil er groß und stark ist" und "Weil er cool ist und fliegen kann".

"Es ist fast unmöglich, die Superheld-Kultur in Amerika zu vermeiden", sagte Coyne. "Ich habe derzeit einen drei Jahre alten Sohn, der Spiderman mag, obwohl er noch nie die Filme gesehen hat. Er verkleidet sich öfter als Spiderman und geht herum, um imaginäre Netze zu schießen." Das Ziel der Studie sei nicht, Superhelden zu verbieten, sie könnten ein lustiger und magischer Teil der Kindheit sein. Allerdings könne die Superheld-Kultur auch zerstörerisch werden, vor allem, wenn Kinder sich zu stark mit den Charakteren identifizierten. Es gehe ihr um Gleichgewicht. "Mein Sohn kann zum Beispiel ebenso davon überzeugt sein, dass er Elsa (die Eisköngin) ist und "Let it Go" schmettern. Es geht darum, das Gleichgewicht zu finden und über die positiven Aspekte der Superhelden zu sprechen.

*Über die Brigham Young University*
Die Brigham Young University, an der die Studie durchgeführt wurde, ist eine konfessionelle Universität, die den Mormonen nahe steht und an der teilweise ein sehr strenger Ehrenkodex gilt. Dieser beinhaltet vor allem Verhaltensregeln für ein tugendhaftes und keusches Leben, die Abstinenz von illegalen Drogen, Alkohol, Tabak, Kaffee und Tee, ein Verbot homosexueller Beziehungen sowie ein Verbot der Beschäftigung mit "unanständigem" Material.

Quelle:

Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 13. Januar 2017